TRADITION IST NICHT DIE ANBETUNG DER ASCHE, SONDERN DIE  WEITERGABE DES FEUERS

 



Norbert von Hannenheim



geboren in Hermannstadt
am 15. Mai 1898,
gestorben am
29. Sept. 1945 im Landeskranken-haus Obrawalde bei Meseritz/
Pommern)


Kolloquium 6. - 8. November 2015
an der Academia de Muzică Gheorghe Dima
anlässlich des 70. Todestages
Norbert von Hannenheims

Leitung:
Prof. Dr. Adriana Bera, Musikakademie "Gheorghe Dima"
und
Dr. Gabriel Iranyi, Vizevorsitzender 'musica suprimata' e.V.

Programm

Lektion 1   Gerhard von Hannenheim
Aus dem Leben von Norbert von Hannenheim

Lektion 2   Prof. Dr. Ludwig Holtmeier
Die Position Hannenheims im Schülerkreis Schönbergs, sein Stellenwert in der Musikgeschichte

Lektion 3   Dr. Gabriel Iranyi
Norbert von Hannenheim's Streichquartett Nr. II und das Streichtrio Nr. 3:
Struktur und Bedeutung für das Kammermusik-Repertoire des 21. Jahrhundert

Lektion 4   Albert Breier
In der Zukunft wohnen - Leben und Nachleben Norbert von Hannenheims und seiner Musik

Lektion 5   Gesprächskonzert Siegfried Mauser und
Amélie Sandmann, Sopran
Anmerkungen zu Liedern nach Texten von Rilke: Vorgefühl - Liebeslied - Todeserfahrung
und Klaviersonaten

Lektion 6   Gesprächskonzert Moritz Ernst und
Prof. Ludwig Holtmeier
Die beiden Fassungen der Klaviersonate Nr. 4


Gerhard S. von Hannenheim



Aus dem Leben von Norbert von Hannenheim 

Persönlich gekannt hat keiner der nächsten Generation der Familie von Hannenheim diesen "verrückten Onkel Norbert", nicht die beiden Musiker Marianne und Wolfgang Boettcher, noch die beiden Technik-Ingenieure Werner und Gerhard von Hannenheim. Doch in den Familienzweigen wurde das Eine oder Andere kolportiert, der eine oder andere Brief aufbewahrt, manchmal ein Foto.
Alle freuen sich, dass dem Onkel Norbert nun das Adjektiv "verrückt" genommen wird, weil sich allmählich Verständnis entwickelt für die Musik, die dieser Onkel Norbert da in Berlin in seinem Untermieter-Kämmerlein "bei Wasser und Brot" geschrieben hat.

Die zusammengetragene familiäre Erinnerung von Gerhard und Werner von Hannenheim und von Dr. Florian Kimm ist mit den von Herbert Henck recherchierten Fakten verquickt. Norbert von Hannenheim – Die Suche nach dem siebenbürgischen Komponisten und seinem Werk von Herbert Henck zugrunde (http://www.herbert-henck.de/Internettexte/Hannenheim_I/hannenheim_i.html, 2007 erschienen,  mit Ergänzungen von 2015).

Die Einschübe sind von Heidemarie T. Ambros.

Hannenheim besuchte in Hermannstadt das deutsche Gymnasium und erhielt privaten Klavierunterricht. Schon seit seiner Kindheit beschäftigte er sich mit Musik und komponierte auch gelegentlich als Autodidakt. Aus seiner frühen Zeit stammen auch mehrere tonale Vertonungen von Gedichten, die z. T. im Selbstverlag erschienen sind. 1916 sollte er einen Satz einer eigenkomponierten Klaviersonate aufführen; dazu kam es dann doch nicht, der 18jährige (!) wurde als Zugkommandant an der russischen und der italienischen Front eingesetzt. Die Erfahrung des Weltkrieges erschütterte ihn so sehr, dass er erst im Alter von 31 Jahren in Schönbergs Klasse kam.

Eine Weile nach Kriegsschluss studierte er an der Handelsakademie in Graz. Nachdem er abgeschlossen hatte, entschied er sich denn doch für die Musik und begann 1922 ein Kompositionsstudium bei Paul Graener, dem Nachfolger Max Regers am Leipziger Konservatorium. Bei Graener entstanden Kammermusikwerke für verschiedene Besetzungen: Orchesterwerke, je ein Konzert für Violine und für Violoncello mit Kammerorchester, eine Sinfonie für großes Orchester in einem Satz und ein Konzert für großes Orchester.
1925 bekam Hannenheim beim Wettbewerb um den
George-Enescu-Preis“ den Zweiten Nationalpreis für Komposition“. 1926 bewarb er sich erneut um den Preis und fand eine Gelegenheit, dem Meister Enescu mehrere seiner Kompositionen vorzulegen, der sich ihnen dann in Gegenwart eines kleinen musikalischen Auditoriums in einem zweistündigen Gedankenaustausch am Klavier mit größtem Interesse widmete.
Bei 1925 dem aufgeführten Stück handelte es sich um die erste von sechs in diesem Jahre in Folge komponierten Violinsonaten. Es bleibt auch späterhin ein Charakteristikum Hannenheims, dass er gern mehrere Werke fast gleichzeitig für dasselbe Soloinstrument oder Ensemble schrieb.
An
Arnold Schönberg richtete er 1929 ein erfolgreiches Aufnahmegesuch in dessen Meisterklasse. Aber vorher stockte er noch seine Kompositionsausbildung 1928/29 bei Alexander Jemnitz in Budapest auf. Jemnitz hatte selbst um 1910 zunächst bei Reger in Leipzig studiert und dann in den Jahren 1913-15 bei Schönberg in Berlin.


Über sein Wesen

Hans Heinz Stuckenschmidt beschreibt ihn folgendermaßen: „... ein großer, schlanker Jüngling mit dunkel leuchtenden Augen und einem starken blauschwarzen Bartwuchs... Ein düsterer Ernst lag in seinem Gesicht. Auch im Gespräch zeigte er selten Heiterkeit und Humor. Er wirkte gezeichnet von einem Leben schwerer Entbehrungen, das er denn auch führte. In den Kursen war er ein heftiger und oft zorniger Diskutant, dessen Unnachgiebigkeit ich später ähnlich bei Luigi Nono wiederfand... Seine kompositorische Begabung war ungewöhnlich“.

Der Schriftsteller Wolf von Aichelburg schreibt in seinen Erinnerungen über eine Begegnung mit NvH in Berlin im Herbst 1936: „...Über sehr viele Dinge konnte man sich mit H. interessant unterhalten, doch wenn die Sprache auf Musik kam, war nichts Ernstes aus ihm herauszubekommen. Er erging sich in Paradoxa und Sarkasmen, wohl eine Stachelhaut, die er sich umgelegt hatte, seit seine Musik als höchst entartet in die Katakomben verdrängt wurde. NvH gehörte jedenfalls zu den Entarteten - ›Schauen Sie mich doch bloß an! Rabenschwarzes Haar, kohlschwarze Augen. Gibt Ihnen das nicht zu denken?‹ Ich bemerkte, dass Schönberg und andere ungefährdet im Ausland leben, worauf er antwortete: ›Dafür schreibe ich Volkslieder‹ “. Einmal, durch Kreuzfragen herausgefordert, erklärte er: ›Ich bin ein Entdecker. Ich habe das genaue musikalische Äquivalent zur Geistlosigkeit anmaßenden Tyrannentums gefunden, die Formel, die den ganzen Totalitarismus zum Ausdruck bringt: eine von möglichst vielen Trompeten - oder auch Klavier, da klingt es noch gemeiner - angestimmte C-Dur Fanfare... .‹ Wahrscheinlich kam im ganzen Oeuvre Hannenheims kein einziger C-Dur-Akkord vor. Das war sein persönlicher Beitrag zum Widerstand.“ Else C. Kraus schreibt in ihren Erinnerungen: „H.s finanzielle Lage war außerordentlich schwierig; er lebte vom Notenkopieren und von der Hilfe einiger Menschen, die ihn menschlich und künstlerisch hochschätzten. Wir sahen ihn sehr viel bei uns, bis sein Geist sich mehr und mehr verwirrte, was ihn sehr menschenscheu machte. Hermann Heiß sah ihn noch einmal auf offener Straße Anfang 1944.“ Norbert von Hannenheim wurde am 6.7.1944 in die Heilstätten (Landesnervenanstalt) Berlin-Wittenau eingeliefert, mit dem maschinenschriftlichen Vermerk:  „v.H. ist gemein-gefährlich krank im Sinne des Erlasses vom 21.2.32. Amtsarzt Wilmersdorf.“ Im Aufnahmebuch der Heilanstalt erscheint NvH mit dem Vermerk „Schizophrenie?“ Die näheren Gründe und Umstände der Einweisung sind nicht bekannt. Von Wittenau wird NvH am 3.8.1944 in die Heil-und Pflegeanstalt Obrawalde-Meseritz, eine der berüchtigten „Euthanasie-Kliniken, östlich von Frankfurt an der Oder, im heutigen Polen verlegt. (https://de.wikipedia.org/wiki/Heil-_und_Pflegeanstalt_Obrawalde). Am 16. Februar 1945 kam eine sowjetische Militärkommission nach Obrawalde, um die Vorgänge in der Anstalt zu untersuchen. Norbert von Hannenheim starb ein halbes Jahr später, am 29. September 1945.


Dr. Gabriel Iranyi

Norbert von Hannenheim's Streichquartett Nr. II und das
Streichtrio Nr. 3:
   
Struktur und Bedeutung für  das Kammermusik-Repertoire
des 21. Jahrhunderts










Kurzfassung

Hannenheims Musik wurde schon Ende der 20-er und Anfang der 30-er Jahre von solchen Persönlichkeiten wie Arnold Schönberg, Hans Heinz Stuckenschmidt und Alban Berg anerkannt. H.H. Stuckenschmidt schrieb in „Modern Music“ Band X 1932 / 33, S. 16: „Die Individualität seines Stils liegt in perfektem tonalem Gleichgewicht und findet Ausdruck in einem Reichtum von Intervallen, der jede Note, jedem Akkord, jede horizontale und vertikale Linie der Struktur miteinander verbindet.“

Norbert von Hannenheim pflegte öfters seine Werke in Zyklen von 6 Werken zu konzipieren, die er mal mit arabischen, mal mit römischen Ziffern nummerierte. Bis heute wurden 4 Streichquartette gefunden: Nr. 9, Nr. II, Nr. IV, Nr. XI und von den vielen Streichtrios nur das Streichtrio Nr. 3.
Die Beleuchtung der Struktur zweier Streichquartette und seinem Streichtrio Nr. 3 soll für eine bessere Verbreitung seiner kammermusikalischen Werken im internationalen Konzertleben und der Bereicherung des Repertoires dienen.

Die Langfassung finden Sie bei
Hannenheim - Analyse Streicherkompositionen

Dr. Gabriel Iranyigabmus71@gmail.com
www.gabrieliranyi.de

Tel. 030 - 792 01 67 / mobil 0177 - 300 78 37




Prof. Dr. Ludwig Holtmeier, Freiburg i. Br.















Norbert von Hannenheim und die Berliner Schule

Kurztext

1929 zog der bereits 31-jährige Norbert von Hannenheim, bis dahin Kompositionsschüler von Paul Graener in Leipzig und anschließend von Alexander Jemnitz in Budapest, nach Berlin und besuchte den Unterricht in einer der „Meisterklassen“ für Komposition an der Preußischen Akademie der Künste. Er trat damit in eine der bedeutendsten Kompositionsklassen des 21. Jahrhunderts ein und wurde Schüler des wohl berüchtigtsten Komponisten und Kompositionslehrers seiner Zeit: Arnold Schönberg. Die Leitung einer Meisterklasse für Komposition an der Akademie der Künste zu Berlin war die berühmteste und bestdotierte Kompositionsprofessur in der Weimarer Republik. Schönberg war, wie es sein Schüler Alfred Keller formuliert, "der Leiter der berühmtesten und exclusivsten Kompositionsmeisterklasse, die es es wohl je gegeben hatte". Die Berufung als Nachfolger Busonis war mit Sicherheit Schönbergs eklatantester gesellschaftlicher Erfolg. Als er die Meisterklasse in Berlin übernahm, befand er sich auf dem Gipfel seines europäischen Ruhms.

Um das besondere Berlinische Umfeld, in das Norbert von Hannenheim geriet, um diese außergewöhnliche Akademieklasse, um ihren spezifischen historischen Ort und ihre spezifischen Bedingungen, soll es in meinem Vortrag vor allem gehen. Es ist der kursorische Versuch einer biographischen und kompositorischen Kontextualisierung in zwei Kapiteln: Im ersten werde ich von den spezifischen Elementen der Schönbergschen Kompositionslehre und -methode, die er in seiner Berliner Meisterklasse vermittelte, reden, im zweiten von den Berliner Schülern selbst, von der Schönbergschen „Berliner Schule“, und dabei insbesondere von Norbert von Hannenheim, jenen Schüler, den Schönberg rückblickend als einen seiner besten Studenten bezeichnete.

https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Holtmeier

Rektor der Hochschule für Musik Freiburg
Schwarzwaldstr. 141, 79102 Freiburg
Email: l.holtmeier@mh-freiburg.de
Tel: (+49) 761-31915-157 /
Fax: (+49) 761-31915-42



Die Referate zu den Klaviersonaten Hannenheims
sowie zu den Liedern
und den Vortrag Albert Breiers sehen Sie auf youtube
(siehe Links)